Solarmodule, Batterien und Wasserstoff sind der Kitt, mit dem die Energiewende gelingen soll. Doch wie lassen sich genügend Rohstoffe dafür gewinnen? Ein Blick in die internationale Forschung daran.
Am 5. Tag der Energiewende-Tour nach Brüssel erfuhren die Teilnehmer beim belgischen Forschungszentrum Energyville, an welchen Lösungen Wissenschaftler auf internationaler Ebene arbeiten.
Mehr als 1 Mio. neue Solaranlagen mit einer Leistung von 14 Gigawatt Solarleistung sind in Deutschland 2023 installiert worden – mehr als jemals zuvor. Zudem kombinieren Hausbesitzer heute fast jede zweite Anlage mit einem Batteriespeicher. Da die Technik nicht nur in Deutschland boomt, stellt sich immer häufiger die Frage: Reichen die Rohstoffe für die Produkte weltweit für weiteres Wachstum aus? Und welche alternativen Materialien lassen sich heute oder in naher Zukunft als Ersatz verwenden?
Diesen Fragen gehen aktuell die rund 500 Wissenschaftler am Forschungszentrum Energyville im belgischen Genk nach. Der aus vielen Laboren und anderen Forschungseinrichtungen bestehende Campus war das Ziel der deutschen Radfahrgruppe, die seit dem 2. Mai auf dem Weg nach Brüssel verschiedene Institute, Firmen und Anlagen besichtigt und mit Betreibern und Politikern über Herausforderungen und Lösungen zur Energiewende spricht. Weil am fünften Tag mit der Etappe von Maastricht nach Leuven knapp 120 km auf dem Plan standen (der längste Abschnitt der 450 km langen Reise), gab es an diesem Tag nur ein fachliches Besichtigungsziel.
Das Zentrum „Energyville“
Im Forschungszentrum in Genk arbeiten vier Institute zusammen: Die flämischen Universitäten Hasselt und Leuven sowie die Forschungsinstitute imec und Vito. Beispiele für die angewandte Forschung:
- Neue Materialien für Batteriespeicher
- Batteriemanagementsysteme
- Bifaciale Module und Fassadenintegration
- Serielle Sanierung von Wohnhäusern
Was den Forschern immer wieder bewusst wird, ist die Konkurrenz zu chinesischen Herstellern. „Man muss anerkennen: Ohne die Chinesen hätten wir heute keine so günstigen Module. Deren Qualität ist außerdem sehr gut. Aber es ist traurig zu sehen, dass die Solarindustrie jetzt ein zweites Mal aus Europa abwandert“, erklärt imec-Programmmanager Dr. Joachim John. Damit bezieht er sich auf die jüngsten Ankündigungen der deutschen Hersteller Solarwatt und Meyer-Burger, ihre Werke zu schließen bzw. in die USA zu verlagern.
Batterie als Schlüsselelement
Für John ist ein Schlüsselelement der Energiewende die Batterie. „Wir brauchen Kurzzeitbatterien, um die am Tag produzierte Strommenge für nachts verfügbar zu machen. Das Problem ist gut gelöst, die Batteriepreise sind im freien Fall“, erklärt er. Eine Herausforderung sei viel mehr die Verlagerung vom Sommer in den Winter.
Hier kritisiert er übersteigerte Fantasien zu Wasserstoff: „Ich bin jedes Mal verwundert, wenn deutsche Politiker in Talkshows die Nutzung von Wasserstoff als Treibstoff für Fahrzeuge oder als Brennstoff in Häusern ankündigen. Wir werden den Wasserstoff dagegen brauchen, um die Industrie zu dekarbonisieren“, betont er. „Wir erleben leider immer häufiger, dass viele Politiker zu wenig auf faktenbasierte Analysen der Wissenschaft setzen, sondern Beschlüsse an der Realität vorbei fassen.“
Im Energyville arbeiten die Forscher zur Lösung des Speicherproblems an stationären Batterien auf Basis von organischen Materialien, auch um die Rohstoffabhängigkeit der EU zu reduzieren. Zudem sehen sie Lithium nicht als Rohstoff der Zukunft an: „Zur Gewinnung benötigt man sehr viel Wasser, es gibt viele Umweltprobleme. Auch werden die weltweiten Lithiumvorkommen für den weiteren Bedarf an Batterien nicht ausreichen“, sagt John.
Eine Alternative könnten Natriumbatterien sein. Denn Natrium ist weltweit ausreichend verfügbar. „Ein Problem noch ist die Energiedichte. Daher wird Natrium das Lithium in den nächsten fünf Jahren noch nicht ablösen können. Aber auf lange Sicht werden wir die Natriumbatterie brauchen“, ist John überzeugt. Bei Batterien wird die Ladesoftware immer weiter ausgereift, um das Laden der Zellen zu optimieren und damit die Lebensdauer der Batterie zu verlängern.
Engpässe bei Modulen
Bei den Solarmodulen sieht er im Moment den größten Rohstoffengpass beim Silber. „Die Solarindustrie hat die Fotoindustrie als weltweit größter Verbraucher von Silber abgelöst. Eine Alternative wären Kupferleiterbahnen, aber die sind noch nicht ausreichend entwickelt“, erklärt er.
Skeptisch ist er zudem bei den oft sehr hoch gehandelten Perowskit-Solarzellen: „Sie erzielen im Labor einen hohen Wirkungsgrad, sind aber mit Metallen wie Blei hergestellt. Diese müssen wir ersetzen, wenn wir die Zellen in großer Zahl herstellen wollen.“
Vernetzung und Sanierung
„Bei der Umstellung der Industrie auf erneuerbare Energien müssen wir viel mehr europäisch denken. Wenn ein niederländisches Stahlwerk auf Elektrolyse zur Produktion von Wasserstoff umstellt, ist der Strombedarf so riesig, dass das auch Auswirkungen auf die Stromnetze in den Nachbarländern hat“, sagt Frank Meinke-Hubeny, Programmmanager beim Institut Vito. „Die Transformation der Industrie wird nicht leicht sein. Wenn die Politiker schon nicht miteinander reden, müssen wir Wissenschaftler zumindest schon einmal anfangen“, sagt er.
Ein weiteres Forschungsfeld ist die serielle Sanierung der Häuser, um sie für den Wärmepumpenbetrieb vorzubereiten. „Wir arbeiten daran, komplette Häuser in drei bis vier Wochen energetisch zu sanieren“, erklärt Meinke-Hubeny. Denn ein großes Problem der Energiewende seien die Kosten. Viele Politiker würden nur von den reinen Wärmepumpenkosten sprechen. „Sie vergessen aber, dass der Einbau mit vielen weiteren Tätigkeiten wie die Dämmung oder die elektrische Einbindung verbunden ist, was die Kosten einer Wärmepumpe schnell verdoppeln kann“, sagt er.
Das Gleiche beträfe die gebäudeintegrierte Photovoltaik. Sie funktioniere nur gut bei großen Firmen, in denen sich eine eigene Abteilung ausschließlich mit dem Bau von Modulen als Fassadenverkleidung beschäftigt. „Es gibt heute schon viele innovative Produkte und Technologien auf dem Markt. Was fehlt, ist die Umsetzung“, resümiert Meinke-Hubeny.